Boah, dass erste Mal seit fast einem halben Jahr, nach normalen neun Stunden Arbeitszeit aus dem Stollen raus. Ich bin völlig beschwingt und fahre im Eiltempo meine Strecke nach Hause. Ich gebe sonst nicht allzu viel auf Geburtstage, aber nach der vergangenen Maloche bin ich geradezu entzückt doch noch ein wenig mehr Zeit an diesem einen Tag mit meiner kleinen Familie zu verbringen. In Gedanken zieht das erste Halbe Kalenderjahr an mir vorbei. Es lief denkbar schlecht, aus „Work-Live Balance“ technischer Sicht. Es kommt mir im Allgemeinen schon so vor, dass jedes Jahr mehr Verantwortung, mehr Überstunden und nochmal mehr Ausnahme Situationen auf Arbeit Einzug halten. Diese zwei ersten Quartale ist es aber richtig ausgeufert. Diverse neue Betriebsübernahmen, Personal Engpässe und dämliche Zufälle haben dazu geführt das nach dem Wintertrip im Januar nur noch Arbeiten und Schlafen den Rhythmus bestimmten. Meine Frau und Kinder kamen definitiv zu kurz wie alles um diese Konstellation herum. Aber am krassesten traf es meine Angelei. Ich kann mich nicht erinnern wann ich zuletzt eine solche Zeitspanne nicht am Wasser war. Anfangs habe ich mich tierisch darüber aufgeregt und reingesteigert, was aber zum Schluss nur in Ernüchterung mündete. Dann begann schleichend alles in den Hintergrund zu rücken, ich verfolgte die Wasserstände und das Wetter nicht mehr. Die normalen Updates vom Wasser nahm ich auch nur noch von weitem war und wenn ich mir das nun hier so überlege, war ich bestimmt seit über drei Monaten nicht mehr in meinem Angelkeller. Krass das gabs echt noch NIE!
Ich verdränge die düsteren Gedanken und biege in die Strasse zu meinem Zuhause ein, setz rückwärts das Auto auf den Stellplatz und raff meine sieben Sachen an mich. Schliess ab und katapultier mich mit Schwung um die Ecke zur Treppe. Auf meinem Vorplatzt steht ein Arsch voll Takle…. Warum steht mein Takle vor der Tür?! Noch völlig perplex werde ich von meiner besseren Hälfte begrüsst und bekomme folgende Erklärung geliefert… Anlässlich meines Schlupftages hat meine (und wohl beste) Frau es so eingefädelt, dass ich Morgen erst auf Mittag in den Betrieb muss und alles wirklich alles inklusive Köfis steht bereit das ich nur einzuladen Brauch und somit eine kurze Overnight mit Geschenkschleife präsentiert bekomm!!!
Innert kurzer Zeit bin ich über der Grenze und die Kilometer bis zu meinem Kindheitsgewässer werden kontinuierlich weniger. Ankommen, Auftakeln läuft in meinem Begeisterungsansturm wie von selbst. Es passt alles zusammen, der Wasserstand ist gut, die Trübung sieht vielversprechen aus und der Blick aufs Echo offenbart mir moderate 23 Grad trotz anhaltender Hitzewelle. Völlig geflasht sitz ich nach meiner zweiten Rute auf der Liege. Was für eine geile Nummer! Neben all den rasenden Gedanken klart mein Blick langsam auf und ich sehe die Ringe der Wasserläufer, der Gesang der Grillen kommt bei mir an und der sanfte Abend Wind umschmeichelt mich. Krass wie das gefehlt hat. Ich massregle mich in Gedanken selbst meine Emotionen und Hochstimmungsanfälle nicht überhand nehmen zu lassen und noch im selben Ansatz zuckt es in das andere rein, da läuft noch in der Dämmerung einer raus….
Das aktuelle Emotionsbad und der fehlende Schlaf der vergangenen Wochen scheinen ihren Tribut gefordert zu haben. Den ich wache im angedeuteten Dämmerlicht auf und stelle verblüfft fest das ich mitten im Gedankengang weggepennt sein muss. Ich muss hier eingestehen ich brauche nicht ein, sondern deren zwei Augenblicke um das Geknatter meiner laufenden Rolle zuzuordnen. Ohne dass ich den Ablauf wahrnehme sitz ich im schwimmenden Untersatz und bekomme eine freie Fahrt Flussaufwärts aufgezwungen. Das Wasser wird hier tiefer was mein Kontrahent ausnutzt. Alter, ich hab eine D-Zug gehakt. Ich kauere im Bug voll in den Schlauch gepresst, die Rutenspitze ist permanent im Wasser, kein bisschen Schnur ist zu gewinnen und ich kann nur krampfhaft halten, dass wiederum wohl gemerkt bei laufendem Motor im Rückwärtsgang. Adrenalin geflutet stelle ich nach unendlich erscheinenden Momenten fest das er langsamer wird. Ruckartig gibt’s einen Richtungswechsel in einem Tempo das mir kurz ein Herzschlag aussetzt. Ich werde durch zwei, nein drei heftige Schwanzschläge in die Schnur durchgerüttelt aber nun endlich bekomme ich unter seinem Getobe Leine zurück auf meine Rolle. Als ein Blasen Meer rechts neben dem Boot aufsprudelt entringt sich mir ein Seufzer der Erleichterung. Ich sah die eindrucksvolle Schwanzflosse bevor er erneut auf Tiefe geht. Abermals hochpumpen und diesmal greif ich direkt in sein Maul, welches eher einem Scheunentor gleicht. Ich häng in der Bordwand ohne die Kraft zu Jubeln oder gar die Rückfahrt anzutreten. Was für ein Gefühl, diesen Cocktail hab ich so vermisst und bin gleichzeitig glücklich und doch körperlich völlig leer sowie ausgelaugt.
Stinkend und noch leicht schleimig geht es in Richtung Grenze und weitergedacht auf die Arbeit. Das ausgerechnet er mir nach dieser Konstellation in dieser einzelnen Nacht die Ehre erweist ist unbeschreiblich. Ich weiss gar nicht mehr wie viele vergebene Male ich versucht hab genau Ihn zu kriegen und ein jedes Mal war er bis heute einen Zacken schlauer als ich. Ich lass mich nicht mehr aus diesem Flow reisen sonst muss ich was an meinen Arbeitsleben ändern…. Manchmal kommt die Einsicht erst dann, wenn du sie wirklich brauchst.

Simon Reimann